Ein WDR-Reporter hat sich in eine vierwöchige Call-Center-Schulung für Air Berlin-Mitarbeiter eingeschleust und hautnah erlebt, wie sich die Airline durch irreführende Erklärungen oder schlichtes Nichtinformieren vor Zahlungen an Kunden drückt. So ließ der Air Berlin-Schulungsleiter die angehenden Call-Center-Mitarbeiter über Entschädigungen für Verspätungen gezielt im Dunkeln: «Wieviel es gibt, das wollen wir euch gar nicht sagen, denn das sollt ihr dem Kunden auch gar nicht sagen,» begründete er seine Nichtinformation. Auch bei Ticket-Stornierungen war oberstes Schulungsziel, die Kunden über ihnen zustehende Erstattungen wie Steuern und Gebühren im Unklaren zu lassen: «Das ist halt auch wieder so eine Form von Beschiss. Das musst du am Anfang klug formulieren», wurde dem als angehenden Mitarbeiter getarnten WDR-Reporter unverblümt klar gemacht.
Erstmals zeigt das WDR Fernsehen in seinem neuen investigativen Format «Aufgedeckt» diese und noch weitere kostensparende Kniffe von Deutschlands zweitgrößter Airline im Umgang mit Kunden («Aufgedeckt — die geheimen Tricks von Air Berlin», Montag, 12. Januar 2015, 21.00- 21.45 Uhr, WDR Fernsehen).
Ehemalige und auch heute noch für Air Berlin tätige Mitarbeiter bestätigen die Undercover-Recherchen: «Wenn der Kunde nicht selber auf die Idee kommt, dass er Anrecht auf irgendwas hat, dann hat er Pech gehabt», erklärt eine Servicekraft, die nach einem halben Jahr Tätigkeit am Flughafen-Schalter ihren Job enttäuscht aufgab. Für die Fluggesellschaften geht es um erhebliche Summen. Nach Schätzungen des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes müsste allein Air Berlin knapp 40 Millionen Euro im Jahr an Entschädigungen für Verspätungen zahlen. Doch nach Berechnungen der Allianz für Fluggastrechte, ein Zusammenschluss von Portalen, die stellvertretend für Passagiere deren Forderungen gegenüber den Airlines geltend machen, fechten nur drei Prozent der Kunden ihre Ansprüche bis zum Ende durch. Darauf setzt anscheinend auch Air Berlin. Ein Mitarbeiter, der heute noch bei dem Unternehmen tätig ist, offenbarte dem WDR, der Kundenservice reagiere in der Regel erst dann, «wenn Post von einem Anwalt kommt.»
Eine überraschende Erfahrung machten die Reporter beim Test, Geld für ein storniertes Ticket zurückzubekommen: Von bezahlten 55,09 Euro hätte Air Berlin bis auf einen Euro den kompletten Betrag erstatten müssen. Doch statt der zustehenden 54,09 Euro boten die Mitarbeiter bei vier Versuchen jedes Mal einen anderen Betrag an und nie den richtigen. Das höchste Angebot lag bei 9,09 Euro, in einem Fall hätten die WDR-Reporter wegen einer Bearbeitungsgebühr sogar draufgezahlt.
Für das Geschäftsjahr 2014 droht Air Berlin ein Rekordverlust von 350 Millionen Euro. Aus Mitarbeiterkreisen heißt es, das Zurückhalten von Informationen über Kundenrechte sei Teil des Sparkurses. Auch nach Ansicht von Otmar Lell, Fluggastrecht-Experte des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes, erfolge das Hinhalten von Passagieren bei Air Berlin «besonders systematisch». Air Berlin war gegenüber dem WDR zu keinem Interview bereit, bestritt aber schriftlich die einzelnen Vorwürfe. Grundsätzlich hätten die Mitarbeiter «einen hohen Qualitätsanspruch», außerdem stehe für das Unternehmen «die Kundenzufriedenheit an erster Stelle.» Das allerdings steht im Widerspruch zu den Erfahrungen, die der Undercover-Reporter in den Schulungswochen machte. So erklärte ihm eine Air Berlin-Ausbilderin, dass das Unternehmen sich gezielt vor rechtmäßigen Forderungen drücke «in dem Vertrauen auf den 90%igen Anteil an Kunden, die nicht klagen.»
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