Wenn jetzt Steuerbetrüger nervös werden, löst das bei denen, die weniger als Hoeneß & Co zu versteuern haben, gerne Schadenfreude aus. Was nicht nur schäbig, sondern auch falsch ist. Denn die Zahl der Sünder in Deutschland umfasst nicht nur die 9000, die neu aktenkundig werden, sondern Millionen. Jeder, der mal ein paar Zinseinnahmen in der Steuererklärung «vergessen» hat, der ein angebliches Fachbuch angibt, das keines ist, oder der zwei Kilometer zu seinem Weg zur Arbeit hinzudichtet, hinterzieht ebenfalls Steuern. Die geringere Dimension ist keine Entschuldigung. Zum Glück wandelt sich die Stimmung. Während der, der dem Finanzamt ein illegales Schnippchen schlug, in der Vergangenheit als vermeintlich cleverer Kerl oft sogar damit prahlte, sieht das die Gesellschaft heute anders.
Man hat begriffen, dass der Steuerhinterzieher nicht einen bösen, anonymen Koloss namens Staat schädigt, sondern uns alle. Die Gelder, die er nicht zahlt, fehlen den Kindergärten, den Schulen oder für die Reparatur unserer kaputten Straßen. Das gilt für den, der 20.000 Euro zu versteuern hat wie den mit zwei Millionen oder mehr. Allerdings klappt es mit der Steuerehrlichkeit nur, wenn die Menschen vertrauen, dass die öffentliche Hand sinnvoll mit ihren Steuergeldern umgeht. Prestigeobjekte, explodierende Kosten für offensichtlich schlampig vorbereitete Maßnahmen, oder der Eindruck, dass Funktionsträger den Staat als Selbstbedienungsladen betrachten, wirken sich fatal aus. Bund, Länder und Gemeinden müssen deshalb extrem verantwortungsvoll mit den ihnen anvertrauten Geldern umgehen und ihr Handeln transparent machen.
Dann zahlen zwar die Leute nicht unbedingt gerne Steuern, doch sie sehen ein, dass es sinnvoll ist. Solch eine Erkenntnis ist besser, als wenn Steuersünder nur aus Angst, sie könnten erwischt werden, ehrlich sein wollen. Der Schummler bei den Fahrtkilometern fliegt auf, weil das moderne Finanzamt dank Routenplaner am PC seine Angaben überprüft. Wer größere Summen illegal ins Ausland schafft und nichts versteuert, bekommt Probleme, weil digitale Daten heute rasch den Besitzer wechseln. Doch wer lediglich nach dem Ertapptwerden ehrlich wird, dem fehlt leider immer noch die bessere Einsicht.
Quelle: ots / Westdeutsche Zeitung / Martin Vogler
Bild: Kurt F. Domnik