Nach dem Selbstmordattentat auf das NATO-Hauptquartier mit sieben Toten in Kabul haben die radikalislamischen Taliban erstmals offen gedroht, bei der Präsidentenwahl Wahllokale anzugreifen. Auf Flugblättern, die im Süden des Landes auftauchten, wurden die Einwohner vor einem Urnengang gewarnt.
Auf Flugblättern, die AFP-Reportern in der Stadt Kandahar vorliegen, heißt es: «Die geachteten Einwohner sollen darüber informiert werden, dass sie nicht an den Wahlen teilnehmen dürfen, weil sie sonst Opfer unserer Operationen werden.» Auch wurden Drohungen gegen Bewohner ausgesprochen, sollten diese ihr Eigentum für Wahllokale vermieten. Das Flugblatt wurde demnach von dem in Kandahar sitzenden Taliban-Führer Mullah Ghulam Haidar verfasst.
Ein Taliban-Sprecher sagte: «Wir werden neue Taktiken gegen Wahllokale anwenden.» Falls Bürger vor oder in den Wahllokalen verletzt würden, seien sie selbst dafür verantwortlich, denn die Taliban hätten sie vorher informiert. Die Flugblätter tauchten auch in anderen Provinzen in Moscheen und an Häuserwänden auf.
Bei dem Anschlag vor dem NATO-Hauptquartier starben sieben Afghanen, über 90 weitere wurden verletzt. Auch fünf ISAF-Soldaten wurden verletzt. Ein Taliban-Sprecher sagte, ein Mitglied der Gruppierung habe in einem Fahrzeug 500 Kilogramm Sprengstoff zur Explosion gebracht. Demnach galt der Anschlag der US-Botschaft, die sich in unmittelbarer Nähe des NATO-Hauptquartiers befindet. Präsident Hamid Karsai, der sich Donnerstag zur Wiederwahl stellt, erklärte, die Afghanen würden sich durch solche Bedrohungen nicht einschüchtern lassen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte das Selbstmordattentat als «feige Attacke gegen die Demokratie» in Afghanistan. In der Nähe von Kundus im Norden wurde am Samstag erneut eine deutsche Patrouille mit Panzerabwehrwaffen angegriffen. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte, erlitt ein Soldat Verletzungen an der Hand.
Trotz der zunehmenden Taliban-Angriffe im Norden Afghanistans schätzt die SPD-Verteidigungsexpertin Ulrike Merten die Lage in dem Gebiet als «vergleichsweise ruhig» ein. «Die Wahrnehmung, dass der gesamte Norden zu einem Kampfgebiet geworden ist, ist falsch», sagte die Verteidigungsexpertin im Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.