Die Grünen kritisieren das Anti-Antibiotika-Programm der Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) als zu unverbindlich, und das wahrscheinlich zu recht. Aber auch wenn man die Verbote noch etwas drastischer formulieren würde, die Kontrollen noch etwas schärfer gestalten, all das würde wohl nichts helfen. Antibiotika sind das Lebenselixier der industriellen Massentierhaltung, ganz besonders in der Hähnchen- und Putenmast. Denn wo Zigtausende von Tieren auf engstem Raum untergebracht sind, breiten sich Erreger schnell aus. Eine gezielte Behandlung von tatsächlich erkrankten Teilen des Bestandes ist nicht möglich, also kriegen es alle Tiere. Mehr noch: Die Gewinnmargen in der industriellen Tierhaltung sind so niedrig, dass die Todesrate im Stall um fast jeden Preis minimiert werden muss.
Vorbeugende Antibiotika-Behandlung wird damit zur existenziellen ökonomischen Notwendigkeit für die Bauern. Ohne Antibiotika kein Billigfleisch, das ist die einfache Rechnung. Sie ist schon lange bekannt. Deswegen verwundert es sehr, dass erst Untersuchungen in zwei Ländern und eine Stichprobe des Bundes Naturschutz das Ministerium auf Trab bringen. Immer muss es erst Schlagzeilen geben, die den Verkauf beeinträchtigen, ehe etwas geschieht. Aber ebenso verwunderlich ist auch die erschrockene Reaktion des Publikums, das gerne Billigfleisch isst und sich nun vor resistenten Keimen fürchtet. Das eine bedingt das andere. Nur andere, artgerechtere Haltungsformen in der Tierzucht können das Problem wirklich beheben. Aber davon will vom Anfang bis zum Ende dieser Produktionskette, vom Züchter bis zum Esser, immer noch fast niemand etwas wissen.
Bild: Deutscher Bundestag / H.J. Müller